Microsoft-Software ist wegen Trump ein Sicherheitsrisiko – so reagiert Dänemark
Wer den US-Präsidenten Donald Trump erzürnt, hat mit ungeahnten Konsequenzen zu rechnen: der Sperrung von "Microsoft 365". Aber das muss nicht sein, wie die grössten Städte Dänemarks vormachen.

Die zwei grössten Städte Dänemarks, Kopenhagen und Aarhus, gehen einen Weg, vor dem sich die meisten Software-Verantwortlichen hierzulande fürchten: die konsequente Abkehr von Microsoft-Produkten. Die dänische Zeitung "Politiken" berichtete diese Woche von dem radikalen Vorstoss und lieferte auch gleich die Begründung der Verantwortlichen, warum auf die Software des Marktführers verzichtet werden soll.
"Sollten sich die Beziehungen zu den USA verschlechtern, ist zu befürchten, dass Microsoft gezwungen wäre, alles abzuschalten", sagt Henrik Appel Espersen, Präsident des Rechnungsprüfungsausschusses in Kopenhagen. Der Initiant betont: "Dieses Risiko ist real. Und wenn wir plötzlich keine E-Mails mehr versenden oder innerhalb unserer Systeme kommunizieren können, stecken wir in Schwierigkeiten." Die Hauptsorge ist demnach das willkürliche Abschalten, respektive die Sperrung wichtiger Cloud-Dienste durch den Hersteller Microsoft selbst. Und diese Sorge ist tatsächlich begründet, wie der Fall einer bekannten internationalen Institution letzten Monat zeigte.
Was ist passiert?
Mitte Mai machte die Nachrichtenagentur AP publik, dass der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) keinen Zugriff mehr auf seine E-Mails habe. Microsoft selbst hatte Karim Khan wegen der von Donald Trump verhängten Sanktionen ausgesperrt. Die Anordnung erliess Trump, weil der internationale Strafgerichtshof wegen des Verdachts auf israelische Kriegsverbrechen im Gazastreifen gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu vorgeht. Demnach drohen jeder Person, Institution oder Firma in den USA Geldstrafen oder gar Gefängnis, wenn sie dem Chefankläger des Gerichtshofs "finanzielle, materielle oder technologische Unterstützung" gewähren.
Der US-Techkonzern Microsoft reagierte prompt und blockierte den E-Mail-Account von Khan. Daraufhin wechselte er zum Schweizer Cloud-Mail-Anbieter Protonmail, wie die Nachrichtenagentur von Informanten erfuhr. Mitarbeiter und Partner hätten bestätigt, die US-Sanktionen würden es dem internationalen Gerichtshof zunehmend erschweren, "grundlegende Aufgaben zu erfüllen", geschweige denn Gerechtigkeit für die Opfer von Kriegsverbrechen oder Völkermord zu suchen.
Laut AP-Bericht gingen die Mitarbeiter die schwierige Situation mit schwarzem Humor an und machten Witze darüber, dass sie Khan nicht einmal mehr einen Stift leihen dürften, sonst liefen sie selbst Gefahr, auf dem Radar der Vereinigten Staaten aufzutauchen. Es soll hier nicht auf die problematische Persönlichkeit des Chefanklägers und die grundlegenden Probleme des Strafgerichtshofs eingegangen werden.
Und die Steuergelder?
Die Stadtverwaltung von Aarhus hat ähnliche Gründe für ihre Entscheidung angegeben. Wobei von den Verantwortlichen auch Bedenken ins Feld geführt wurden, sensible eigene Daten in die USA zu übermitteln. Beide dänischen Städte haben sich in der Vergangenheit laut Bericht stark auf Microsoft Office-Programme und die Cloud-Dienste des Unternehmens verlassen.
Der Leiter der Abteilung für digitale Dienste in Aarhus sagte laut "Politiken", ein deutscher Anbieter habe Microsoft in der Stadtverwaltung bereits ersetzt. Durch diese Massnahme könne man die jährlichen Kosten in seiner Abteilung von 800'000 Kronen (rund 100'000 Franken) auf 225'000 Kronen (knapp 30'000 Franken) senken.
Im Februar dieses Jahres hatte das dänische IT-Nachrichtenportal "Version2" berichtet, die Microsoft-Ausgaben der dänischen Kommunen seien "explodiert". Eine Auswertung bei allen Gemeinden des Landes habe ergeben, dass der Hauptgrund für die Verdoppelung der Kosten eine Preiserhöhung seitens Microsoft sei. "Wir mussten Jahr für Jahr deutlich mehr Geld für Microsoft-Lizenzen ausgeben. Die Preiserhöhungen haben die allgemeine Inflation bei weitem übertroffen", sagt Steen Vinderslev von der Gemeinde Middelfart.
Microsoft weigert sich laut Bericht, Informationen zur konkreten Preisentwicklung der letzten sechs Jahre für Cloud-Produkte wie Office 365 herauszugeben. Das US-Unternehmen gab sich aber überzeugt, "wettbewerbsfähige und faire Preise" anzubieten. Diese Argumentation vermochte den kommunalen IT-Manager Henrik Brix nicht zu überzeugen: "Vieles davon ist sinnvoll. Aber werden wir durch den Einsatz der neuesten Microsoft-Funktionalität unsere Verwaltung und die Bereitstellung von Sozialleistungen wirklich so viel effizienter gestalten?"
Die überwiegende Mehrheit der dänischen Kommunen kauft die Microsoft-Produkte über den staatlichen Beschaffungsdienst ein. Und daran wird sich wohl so schnell nichts ändern. Die IT-Verantwortlichen beklagen einen sogenannten "Vendor Lock-in", also eine sehr enge Kundenbindung an das US-Unternehmen, die einen Anbieterwechsel angeblich verunmöglicht. Das Problem, das es derweil bei den Microsoft-abtrünnigen Grosstädten noch zu überwinden gilt, liegt mehr im motivationspsychologischen Bereich: Die Abkehr von Microsoft-Software sei von der Mehrheit der städtischen Angestellten nicht gut aufgenommen worden.
Dieser Beitrag ist zuerst bei "Watson.ch" erschienen.

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